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Die Chance für mein Selbst

An diesem Morgen hat mich ein Milan geweckt, weit oben in den Lüften kreiste er über meinem Schlafzimmerfenster, er kreischte und machte laute juchzende Geräusche. Dieser prächtige Jagdvogel hat endlich wieder sein Revier für sich alleine. Keine Flugzeuge, Helikopter stören seine Flugzone. Auch Nachmittags bringt dieser Tag Sonne, klaren blauen Himmel, Vögel die vergnügt zwitschern als wäre alles wie bisher. Knospen entfalten sich an allen Büschen und Bäumen. Eine kühle Brise bringt im späteren Nachmittag Schwung in diesen Frühlingstag und erinnert mich sanft daran, dass es doch noch nicht Sommer ist. Ich bin in meinem Zuhause in meinem Heim fernab von der Welt. Um mich herum pendelt sich allmählich Ruhe ein, macht mich gelassen und ich geniesse diesen Tag. Die Natur zeigt es mir, alles nimmt seinen normalen Lauf. 

 

Doch immer wieder sind da diese Gedanken, so unfassbar im Moment alles ist, so klar wird mir, dass ich mich allem ergeben muss. Mein Blick schweift immer wieder ab in die Ferne, was kann ich vom Leben da draussen erhaschen? Ich weiss es nicht. Verschwommen sind meine Erinnerungen. Was vermisse ich im Aussen? Was ist mir wirklich wichtig in meinem Leben? Auf was oder wen könnte ich nicht verzichten? Bei diesen Fragen wird es mir schwer ums Herz. Dieses getrennt-Sein vom Aussen ist wie Entzug, stelle ich mir vor. Entzug von was? 

 

Mir fehlt es im Moment, nicht in meiner Berufung als Medium wirken zu können. Auch der zwischenmenschliche Kontakt zu meinen Klienten ist wie abgeschnitten. Mir fehlen die persönlichen Gespräche und den wertvollen Austausch mit meinen Freundinnen. Einfach so frei und unbekümmert an der Aare spazieren zu gehen und im Fähribeizli einzukehren. Durch die Altstadt zu schlendern oder einfach so nach draussen zu gehen, ohne Überlegung meinen Wocheneinkauf zu tätigen… Es fallen mir bestimmt noch viele Dinge ein, die ich vermissen werde.

 

Im Aussen zu sein heisst aber auch, mich mir selbst zu entziehen. Ich lenke mich immer wieder ab mit Konsum, Input und Vergnügung. Wo bleibt da Zeit für mich und für meine Innenschau? Bin ich mir bewusst, wie ich mich in den jeweiligen Situationen im Aussen fühle? Ist mir klar, wer oder was mir wirklich gut tut? In den Letzten Tagen und in den nächsten Wochen bekommen wir die Chance uns über diese Fragen klar zu werden. Das Leben und die Menschen werden sich verändern. So eine Situation wird uns berühren und mit uns selbst in Verbindung bringen, ob wir nun wollen oder nicht. Ich tue es lieber freiwillig, bevor mich äussere Umstände dazu zwingen. 

 

Nachrichten, durch Radio Fernsehen oder Zeitungen haben mich noch nie wirklich interessiert, das hilft mir im Moment. Doch die tägliche Berieselung durch die Medien sind omnipräsent. Sie posaunen Schrecken und Hiobsbotschaften meist nur in eine Richtung, nämlich mit dem Werkzeug der Angst. Doch die Angst trennt uns nur noch mehr von unserem Selbst. 

Im normalen Alltag sind wir immer wieder getrennt und abgelenkt von uns. Doch jetzt, wo wir in unseren Heimen bleiben sollen, wird uns dies bewusst.

Ich stelle mir vor, welche Möglichkeiten dies für uns alle freisetzen könnte. Das Zuhause ist der Ort, wo ich mich wohl fühle. Es ist so eingerichtet wie es für mich stimmig ist. Wenn wir in Familien, Gemeinschaften, Partnerschaften leben, dann ist das Zuhause der Rückzugsort für verschiedene Menschen. 

 

Nun darf ich mich von aussen verordnet, in meinen Rückzugsort zurückziehen. Ganzheitlich betrachtet bekomme ich die Chance, mich in meinem Selbst, in meiner Essenz zurückziehen. Nun sind alle gefordert, miteinander zurechtzukommen. Das erlebe ich auch als Herausforderung als Mutter und Ehefrau. Mein Mann, meine Kinder alle machen Homeoffice. Jeder muss seinen Platz finden und einnehmen. Jeder steht an einem anderen Ort der Entwicklung. Da kann es auch gelegentlich zu Spannungen kommen. Dann hilft es mir alles zu relativieren und tief durch zu atmen. Dank WhatsApp, Facetime und Skype können wir jederzeit mit jedem Menschen im Kontakt sein, wenn auch nicht physisch besteht weiterhin ein Austausch. Freunde, Verwandte schicken einander Fotos und Wünsche zu, Grosseltern sehen ihre Enkel via Smartphone…Ist es nicht das was zählt? Sind es nicht die Begegnungen, die uns Menschen wichtig sind? 

 

Dann rückt der Konsum etwas in den Hintergrund. Die Freude über ein gekauftes Stück, ist meistens nur kurz. Glück und wahre Freude kann man nicht kaufen. Wir können die Chance des Rückzugs zu uns selbst nutzen und diese Situation positiv betrachten. Viele Menschen werden in den nächsten Wochen auf viele persönliche Fragen stossen. In allen bisherigen Krisensituationen, seien sie ausgelöst durch Krankheit, Unfall, Verlust, Trennung oder Tod  machen wir grosse emotionale Schritte, die uns unserem Selbst und unserer Lebensaufgabe näher bringt. 

 

Das können Fragen sein wie: Wer bin ich? Bin ich der Mensch den ich sein möchte? Was macht mich aus? Bin ich mir treu? Habe ich Menschen um mich, die mich so nehmen wie ich sein will? Kann ich auch mal für mich sein, oder brauche ich immer Gesellschaft? Macht mir meine Arbeit Spass? Kann ich meine Stärken einbringen? Erfüllt mich meine Freizeit? Habe ich etwas was mich interessiert, was nicht mit Konsum zu tun hat? Genüge ich mir? Fühle ich mich wohl mit mir?

Euch kommen bestimmt noch einige Fragen in den Sinn. 

 

Ich wünsche mir für mich und für alle Menschen, dass wir dies als Chance für uns Selbst und für unsere Erde sehen. Vielleicht wird uns bewusst, was unser Reisen und Konsumverhalten mit unseren Ressourcen macht. Vielleicht werden wir wieder bewusster im Alltag und sehen vieles globaler. Vielleicht können wir neue, ungewohnte oder kreative Wege gehen, an die wir vorher nicht dachten? Vielleicht können wir uns mit Anderen zusammen tun, denn die Zeit ist gekommen Miteinander zu gehen. Im Kollektiv bewegen wir viel mehr als uns bewusst ist. Wenn wir Synergien im Alltag nutzen, erreichen wir Vielfaches von dem was wir ursprünglich bewirken wollten. 

 

Unsere Erde zeigt es uns, die Natur nimmt sich das, was sie braucht um wieder durch zu atmen. Wir werden genährt, beschützt von ihr. Was tun wir für Sie?

 

Dies ist mein Beitrag für euch, es ist auch ein Appell an mich selbst, die Dinge in meinem Leben zu verändern, die ich verändern kann. Bewusster mit mir und mit dem Ganzen zu sein.

 

Herzlichst 

Petra Eichenberger

Kreatives Medium 

 

In die Stille gehen und den Moment geniessen. Mehr dazu unter:

https://www.petraeichenberger.ch/medien

 

Ich freue mich über eure Anregungen!

 

Vielen Dank für eure Kommentare! 💜

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Kommentare: 5
  • #1

    Michelle Luedi (Sonntag, 22 März 2020 13:33)

    Was für schöne Worte liebe Petra! Herzlichen Dank für diesen wundervollen Beitrag der die Tiefgründigkeit der wesentlichen Werte nicht besser betonen könnte!

    Sei herzlich umarmt, Michelle

  • #2

    Lionelle Stauffer (Sonntag, 22 März 2020 21:10)

    WoW Petra wie schön und berürend sind deine Worte... für mich ist es sehr klar das unser Gott für uns sorgt und immer sorgen wird ich werde in dieser Zeit mein Glauben zu Gott vertiefen und stärken... du bist eine so tolle Frau und ich bin sehr sehr glücklich dich als Person kennen zu lernen alles liebe dir und deiner wunderschöne Familie liebe große lionelle ❤️

  • #3

    Barbara (Sonntag, 22 März 2020 23:01)

    Danke Petra, ich fühle mich verbunden in diesen Worten mit dem mir eigenen Empfinden.
    Danke von Herzen�

  • #4

    Christine (Montag, 23 März 2020 12:25)

    Liebe Petra�! Deine Zeilen sind sehr berührend, herzlichen Dank! Sicher gibt es uns den Anstoss unser Leben zu überdenken:
    Nicht die materiellen Dinge zählen, sondern die ganz kleinen....���✨�

  • #5

    Gabriel Looser (25 März 2020 16:38) (Donnerstag, 26 März 2020 15:22)

    Liebe Petra, einmal mehr teilst Du tiefe und wertvolle Gedanken mit uns – vielen Dank.
    Ja, was will die Krise uns sagen? Auch wenn vieles erschüttert wird und auch viel Leid geschieht – letztlich kommt auch diese Herausforderung aus der grossen göttlichen Ordnung – ein anderes Wort dafür ist „Liebe“ – und damit will sie letztlich etwas Gutes für uns, durch alles Leid hindurch.
    Mir kam der Gedanke, dass das, was jetzt geschieht, auch als ein Akt der Notwehr der Natur gegen unser rücksichtsloses und ausbeuterisches Verhalten ihr gegenüber verstanden werden kann.
    Und die Natur zeigt so schnell ihre Dankbarkeit: Die Millionen-Städte mit ihrem überbordenden Strassenverkehr und undurchdringlichen Smog – schon nach wenigen Wochen klart sich der verdreckte Himmel auf und die Menschen können ihn zum ersten Mal seit langem wieder sehen.
    Oder: Kaum bleiben die übergrossen und zerstörerischen Schiffe weg, besuchen wieder Delphine die Lagunen von Venedig.
    Wenn wir Menschen nicht von uns aus zur Einsicht kommen wollen, braucht es eben erhöhten Druck – letztlich zu unserem Besten.
    So bleibt die Hoffnung, dass möglichst viele Menschen nachdenklich werden und sich wieder einmal mit den wirklich wichtigen Fragen beschäftigen. Welche Fragen das sind, hast Du, liebe Petra, uns eindrücklich vor Augen geführt.
    Und schliesslich erwacht eine zweite Hoffnung, dass wir Menschen auch tatsächlich Neuorientierungen im Leben vornehmen, neue Pfade beschreiten.
    Dann hat auch das Bedrückende und Schwere, das jetzt passiert, und dem wir mit Mitgefühl begegnen wollen, einen Sinn. Das hängt jetzt ganz von uns ab.
    Vielen Dank und liebe Grüsse Gabriel
    http://www.institutlooser.ch